Statement zum Pilotprojekt "Perspektive Kultur" - 27.03. im Säälchen

Der Holzmarkt hat sich dazu entschieden am Pilotprojekt „Perspektive Kultur“ der Senatsverwaltung für Kultur und Europa mitzuwirken und gemeinsam mit der Clubcommission Berlin am 27.03. ein Konzert im Säälchen zu veranstalten. Warum wir das tun, was wir uns davon erhoffen und was nicht, das wollen wir hier kurz erläutern. Vorweg: Wir glauben es ist wichtig, sich hier zu beteiligen und tun dies gern. Wir sagen aber auch ganz deutlich: machen wir uns nichts vor und benennen wir die Dinge weiterhin, wie sie sind: unbefriedigend.

Aber langsam und der Reihe nach: Das Pilotprojekt prüft die praktischen Abläufe und die Machbarkeit von Veranstaltungen in Verbindung mit Coronaschnelltests für ein Publikum und alle an der Veranstaltung Beteiligten. Das Hygienekonzept des Holzmarktes und der Clubcommission sieht darüber hinaus PCR-Tests für alle vor, die auf der Bühne sprechen oder singen werden. Beim Konzert selbst gelten dann trotzdem die verbindlichen Abstandsregelungen, Maskenpflicht (FFP2) und feste Platzzuweisung.

Es ist wichtig einmal ganz konkret zu erproben, wie eine Veranstaltung mit getestetem Publikum funktionieren kann. Wie groß ist der Aufwand? Steht das alles noch im Verhältnis zu den Kosten und kann das ein Weg für die nächsten Monate sein? Ja, das muss man auch einfach mal testen, um wirklich zu wissen, wovon man redet.

Schon im Februar 2021 hatten 20 renommierte Experten ein Konzept veröffentlicht, um eine kontrollierte Wiederbelebung der Kultur zu ermöglichen. Mehr als 40 führende Institutionen der Kulturlandschaft hatten das Papier unterstützt. Die Idee dahinter war es auch, Wege aufzuzeigen, wie man im Bezug auf kulturelles Leben ein Stück weit davon weg kommen kann, lediglich vor fixen Inzidenzwerten zu erstarren, wie das Kaninchen vor der Schlange. Im Wissen darum, dass uns die Pandemie noch eine ganze Weile begleiten wird.

Dass Berlin nun einen kleinen Schritt zur kontrollierten Wiederbelebung mit „Perspektive Kultur“ ermöglicht und hier in Deutschland auch vorangeht, ist gut und entspricht dem Selbstverständnis einer Kulturhauptstadt. Es kommt einem zuweilen aber auch überfällig vor, wenn man seit Monaten zur besten Sendezeit sehen kann, wie der Fußball rollt und sich die Trainerbänke in den Armen liegen.

Aus unserer Sicht ist das vielleicht wichtigste Symbol der „Perspektive Kultur“, dass in Berlin Oper, Philharmonie, gestandene Theaterbühnen und auch die Clubkultur auf Augenhöhe stehen sollen. Gerade vor dem Hintergrund der langen und anhaltenden Debatte über die rechtliche Anerkennung von Clubs als Kulturstätten, ist das wertvoll und wird von uns unterstützt.

Auch sollte nicht unterschätzt werden, dass solche praktischen Schritte ein erster Türöffner dafür sein könnten, mit guten Hygienekonzepten einen gewissen künstlerischen Alltag bzw. Probebetrieb zu ermöglichen, der hoffentlich auch selbstständigen Künstler*innen, die nicht Teil eines festen Ensembles sind, eine gewisse Perspektive bieten kann.

Dennoch erscheint es uns absolut wichtig, das Ganze nochmal einzuordnen, da es eben nur sehr bedingt ein Silberstreif am Horizont sein kann, unter diesen Bedingungen Kultur zu ermöglichen.

Zunächst muss ehrlich gesagt werden: das Säälchen ist kein Club und ein Konzert mit Stühlen im 1 m - Abstand kein Dancefloor. Wir befinden uns in einer von uns neu gebauten Kulturhalle mit modernster Lüftung und 9 m hohen Decken. Das ist nur sehr bedingt ein Benchmark für Clubs, die es ja gerade ausmacht, bestehenden Raum umzufunktionieren oder Räume zu improvisieren. Es ist schon gar kein Benchmark für eine Clubnacht, wenn man sich letztlich nicht frei bewegen kann und einander kaum spürt. Was wir hier hoffentlich zeigen können, ist, dass es Konzepte gibt, mit denen die Innenräume von Clubs nicht weiterhin vollständig brach liegen müssen. 

Eine Veranstaltung durchzuführen, bei der das gesamte Publikum sich im Vorverkauf personalisierte(!) Tickets kaufen muss und dann auch Identitäten kontrolliert werden, ist für uns keine dauerhaft- hinzunehmende Perspektive für die Clubkultur. Wir warnen davor, dass diese Strukturen auch nach der Pandemie hängen bleiben und normalisiert werden.

Schließlich müssen sich alle Modelle immer daran messen lassen, wie tragfähig sie auch finanziell sind und wie viel Inklusivität sie dabei ermöglichen. Es sollte uns allen klar sein, dass Hygienekonzepte ein riesiger Kostenfaktor sind, der von allen freifinanzierten Kulturorten, die sich jetzt mit Krediten am Leben erhalten haben, letztlich auch auf Eintrittspreise wird umgelegt werden müssen. Wenn dabei am Ende Preise herauskommen, die nur noch wenige zahlen können, dann ist das kein Weg. Clubs und privat finanzierte Kulturorte werden – das können wir schon jetzt so deutlich sagen – unter solchen Bedingungen nicht dauerhaft wirtschaftlich arbeiten können. Nicht mal im Ansatz.

Wenn man Clubkultur also „gleichstellen“ möchte, dann kommt es gerade jetzt darauf an, ihre Eigenheiten zu benennen und anzuerkennen – und an ihnen festzuhalten. So schwer es auch ist.

In Clubs sitzen wir nicht still auf festverschraubten Stühlen, für die wir uns vorher ein (personalisiertes) Ticket gekauft haben, sondern es geht auch buchstäblich um Nähe und einen Raum außerhalb von gesellschaftlichen Konventionen. Gerade deshalb ist diese Form der Kultur ein genauso wichtiger Teil der DNA dieser Stadt, wie die Häuser der anerkannten "Hochkultur".

Nach alledem: Wir freuen uns auf das Konzert. Wir gehen diesen Weg nicht ohne Bauschmerzen, aber wir gehen ihn. Um das in aller Klarheit zu sagen: Man kann inmitten der Pandemie nur das tun, was auch verantwortbar ist! Realitätsferne Öffnungsszenarien zu fordern, liegt uns deshalb fern. Wichtig ist es aber, weiterhin zu benennen, was ist und was diese Situation für uns alle bedeutet.

Holzmarkt, 18.03.2021